Prof. Dr. Gustav Hinze - ein Leben für die Elbebiber
Zum 125. Geburtstag des Biberforschers

Hinze_500

Da der Elbebiber im Gebiet um Dessau, besonders an der unteren Mulde, wo auch die Pelze im Jahr 1927 als eines der ersten Schutzgebiete für ein Säugetier überhaupt in Deutschland ausgewiesen wurde, überlebte, ist der Biberschutz in und um Dessau nach wie vor aktuell. Von Persönlichkeiten aus Dessau gingen erste Schutzbemühungen aus, aber auch die Biberforschung als solche nahm hier ihren Anfang.

Einer dieser Biberforscher war Gustav Hinze. Sein Name und seine umfangreichen Schriften über den Biber werden heute noch in der Fachliteratur zitiert und sind für viele Forschungen nach wie vor relevant.

Gustav Viktor Hermann Hinze wurde am 3. Mai 1879 in Dessau geboren. Sein Vater Gustav Adolph Hinze (geb. 23.11.1844 in Bernburg, gest. 25.10.1892 in Quellendorf) war Pfarrer in Quellendorf, seine Mutter war Clara Victorie Wilhelmine, geb. Klinghammer (geb. 01.02.1850 in Köthen, gest. 24.01.1923 in Dessau. Ab 1890 lernte er in Dessau am Gymnasium und verließ dieses Ostern 1898 mit dem Reifezeugnis. Zunächst studierte er dann in Tübingen und Leipzig je ein Semester Naturwissenschaften und Mathematik. Dann wurde er an der Universität Kiel immatrikuliert und studierte dort 7 Semester in den naturwissen- schaftlichen Fächern Botanik, Zoologie, Chemie, Mineralogie und Physik. Unter seinem Botanik-Lehrer Geheimrat Reinke f0hrte er zwei botanische Arbeiten aus, wovon eine Anlaß zur Promotion gab. Mit summa cum laude promovierte Gustav Hinze am 13. Mai 1901 zum Dr. phil. mit der Inaugural- dissertation ”Über die Blattentfaltung bei dicolyten Holzgewächsen”.

Dann berief ihn die Herzoglich Anhaltische Regierung, die Abteilung für Schul- wesen, für das Wintersemester in Vertretung eines Oberlehrers als Hilfslehrer an das Herzogliche Francisceum Zerbst. Am 30. Oktober 1902 legte Gustav Hinze dann in Kiel die Prüfung für das höhere Lehramt mit Auszeichnung ab. Von 1902 bis 1903 arbeitete Gustav Hinze wissenschaftlich an der Stazione Zoologica in Neapel. Von der Anhaltischen Regierung wurde er Ostern 1903 an das Herzogliche Friedrich-Gymnasium in Dessau als Kandidat des höheren Schulamtes, bzw. als Hilfslehrer, überwiesen. Die ihm angebotene akademische Laufbahn konnte er nicht einschlagen, obwohl er sich dies wünschte, aber die anhaltische Schulbehörde hatte ihn nicht entpflichtet. Ein Jahr später, Ostern 1904, gehörte er als Studienrat zum Lehrkörper des Fransiceums. Von der Joachim-Ernst-Stiftung in Dessau wurde er beauftragt, die naturwissen- schaftlichen und prähistorischen Sammlungen aus dem ehemaligen herzoglichen Schloß in Groß-Kühnau zu ordnen und in das ehemalige herzogliche Schloß nach Zerbst zu überführen.

Am 17. April 1906 heiratete Gustav Hinze Elisabeth Anna Luise Kleinholz (geb. 11.01.188B in Coswig). Im Jahr darauf, am 28. Mai 1907 wurde sein Sohn Hellmut Gustav Albert Wilhelm Hinze in Zerbst geboren. Im Jahr 1921 erhielt er den nebenamtlichen Auftrag zum Ausbau eines Museums auf Grundlage der vorhan- denen Sammlungsbestände.

In dieser Zeit traf Gustav Hinze mit dem ”Bibervater” Amtmann Max Behr aus Steckby und dem Dessauer Prof. Hermann Friedrich zusammen. Beide bemühten sich intensiv um die Erhaltung und den Schutz des Elbebibers. Prof. Friedrich regte ihn zur wissenschaftlichen Forschungsarbeit am Biber an, Behr lieferte die totgefundenen Biber an. So entstand 1923 in der naturwissenschaftlichen Abtei- lung des Museums die ”Zentrale für Biberforschung”. Durch Hinzes Bemühungen wurden bereits im Jahr 1926/27 im Freistaat Anhalt Naturschutzgebiete ausge- wiesen und im Jahr 1928 verfasste er im Auftrag des Anhaltischen Staats- ministeriums das “Anhaltische Naturschutzbuch”. Hierin wurden alle wichtigen Gesetzestexte und die geschützten Pflanzen- und Tierarten abgedruckt. Staatsminister a.D. Dr. Müller hat dieses, zu dieser Zeit einmalige Büchlein sehr gefördert und für dessen weite Verbreitung  gesorgt. Wegen der Verdienste um Schule und Wissenschaft wurde Dr. Gustav Hinze 1932 zum Professor ernannt.

Im Jahr 1935, am 10. Oktober, ist seine Ehefrau in Zerbst verstorben. Am 1. Juni 1939 wurde Gustav Hinze nach 35jähriger Lehrtätigkeit am Francisceum in den Ruhestand versetzt. Von 1921 bis 1945 war er Direktor des Schloßmuseums (Landesmuseums) in Zerbst. Ehrenamtlich war er 1. Vorsitzender des Naturwissen- schaftlichen Vereins Zerbst.

Dem Biber, dem Aufbau der Biber-Zentrale, galt während dieser Zeit sein Haupt- interesse. Alle tot aufgefundenen Biber mussten auf Anordnung des Anhaltischen Staatsministeriums dort eingeliefert werden. Eine Totfund-Kartothek wurde angelegt. Sie umfaßt ab 1917 (Nr.1) bis 1952 (Nr. 130) alle tot aufgefundenen Elbebiber (auf einer handschriftlichen Liste werden noch Biber-Totfunde bis 1958 aufgeführt). Schaupräparate, Skelette, Schädel wurden für Studien- und Schauzwecke davon angefertigt. Organe wurde als Alkoholpräparate konserviert. Insgesamt standen 53 Skelette, 50 Schädel, 29 dermoplastisch aufgestellte Tiere unterschiedlicher Altersklassen und 29 Bälge zur Verfügung. Beim anglo- amerikanischen Bombenangriff am 16. April 1945 wurde neben diesem Material auch das umfangreiche Bilder-Archiv (hauptsächlich auch die Aufnahmen von M. Behr) und das Material zur Biologie und Ökologie des Bibers (Fraßspuren, Formalin- und Alkoholpräparate vollständig vernichtet.

Glücklicherweise waren die schriftlichen Aufzeichnungen davon nicht alle betrof- fen und so konnte die Forschungsarbeit fortgesetzt werden und im Ergebnis im Jahr 1950 die Monographie ”Der Biber. Körperbau und Lebensweise, Verbreitung und Geschichte” im Akademie-Verlag Berlin erscheinen. Originalillustrationen für dieses Werk sind im Archiv des Museums für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau zu finden. Nach 1945 verlegte Gustav Hinze seinen Wohnsitz nach Nedlitz. Trotzdem wirkte er in den Nachkriegsjahren, die Elbebiber waren hier wiederholt der Wilddieberei ausgesetzt, für den Schutz des Bibers. So war er als wissenschaftlicher Berater im Dessauer Naturkundemuseum, wo nunmehr mit dem Neuaufbau einer Biber-Zentrale in Zusammenarbeit mit dem Förster Franz Abendroth begonnen wurde, tätig. Ein großes Verdienst von Prof. Hinze war es, dass er 1957 eine Verfügung der Zentralen Naturschutzverwaltung beim damaligen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft der DDR erwirkte, wonach beim Zoologischen Institut Halle, heute Wissenschaftsbereich Zoologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, tot aufgefundene Biber für die ökologische Todesursachenforschung geborgen und konserviert werden konnten.1

Im Landkreis Zerbst war Gustav Hinze auch Naturschutzbeauftragter und Mitarbeiter der Landesstelle für Naturschutz in Anhalt2 und besonders stellte er sich mit Rat und Tat dem Kollektiv zum Schutze und zur Wiederaufzüchtung des Elbebibers zur Verfügung. Prof. Dr. Dathe (Berlin) bestätigte ihm am 6. Juni 1963 brieflich folgenden Wortlaut nach Vorgängen, die nicht Hinzes Ansicht entsprachen (abgedruckt in Piechocki, 1974): ”Gleichviel dürfen Sie für sich 2 Dinge in Anspruch nehmen. 1. Daß Sie souverän die Biologie des Bibers beherrscht haben und in vielen Punkten klären konnten, so daß heute eine hervorragende Basis für künftige Forschungen vorliegt. 2. Haben Sie den Biberschutz immerhin so vorwärts getrieben, daß heute Bestände, die wir durchaus für zukunftsträchtig halten, bei uns bestehen. Schließlich darf man als eine Gunst des Schicksals mit Dankbarkeit begrüßen, daß Sie bis in höchstes Alter hinein geistig und körperlich die Frische hatten, all die vielen schwierigen Dinge vorwärts zu treiben.”

Prof. Hinze war immer bestrebt, den Elbebiber auf Grund der geringen Bestände auch in menschlicher Obhut zu züchten oder an anderen geeigneten Lokalitäten auszusetzen. So sprach er 1955 in Nedlitz mit dem damaligen Referenten für Naturschutz des Kulturministeriums der Tschechoslowakei, Prof. Dr. Rudolf Moucka über die Möglichkeiten einige Elbebiber an mährischen Seen wieder- anzusiedeln.3

Nach seinem 90. Geburtstag in Nedlitz übersiedelte er nach Essen zu seinem Sohn. Doch die Verbindung zu seiner Heimat bestand weiterhin. Seine Urne wurde auf dem Frauentor-Friedhof in Zerbst auf dem Grab seiner Frau beigesetzt.

Alle im Biberschutz und in der Biberforschung tätigen Personen werden sich immer an Prof. Hinze erinnern und kommen nicht daran vorbei sein Lebenswerk zu würdigen. Um 1980 herum wollte sich das Dessauer Biberbetreuerkollektiv damals noch beim Kulturbund der DDR, den Namen ”Biberschutzkollektiv Prof. Dr. Gustav Hinze - Dessau” ihm zu Ehren geben. Das wurde seitens der DDR-Behörden jedoch nicht genehmigt.4

Allein die Vielzahl der Publikationen, die den Biber zum Thema haben, zeigen uns, das dieses Tier sein ”Lebenswerk” gewesen ist.

Mein herzlicher Dank gilt den Enkelkinder von Prof. Gustav Hinze, dem Ehepaar Edith und Jochen Härtel für die Überlassung von Dokumenten und für wertvolle Hinweise.
____________________
1 Piechocki, Rudolf: In memoriam Gustav Hinze. Hercynia N. F., Leipzig 11, 2/3: 324-327, 1974
2 Wuttky, Kurt: Professor Dr. Gustav Hinze zum 80. Geburtstag. Naturschutz-Schnellbrief, 5. Jahr, 5/1959: 15- 16.
3 Gilsenbach, R: Gäste aus der tschechoslowakischen Volksrepublik. Natur und Heimat, Heft 4: 124-125, 1955
4 Fuchs, Leopold: mündliche Mitteilung an den Verfasser

Verfasser:
Karl-Andreas Nitsche, Dessau
Castor Research Society

 

Veröffentlichungen von Prof. Dr. Gustav Hinze

1901: Über die Blattentfaltung bei dikolyten Holzgewächsen. - Botanisches Zentralbatt, Beihefte Bd. X, Heft 45, Kassel (Dissertation).

1901: Über den Bau der Zellen von Beggiatoa mirabilis Cohn. - Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Bd. 19.

1902: Untersuchungen über den Bau von Beggiatoa mirbilis Cohn. - Wissenschaftiche Meeresuntersuchungen, Abt. Kiel, Bd. 6.

1903: Thlophysa volutans, ein neues Schwefelbakterium. - Berilchte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Bd. 21.

1903: Schwefeltropfen im Inneren von Oscillarien. - Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Bd. 21.

1913: 8eiträge zur Kenntnis der farblosen Schwefelbakterien. - Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft, Bd. 31.

1927: Die europäischen Biber - einst und jetzt. - Die Pelztierzucht (Leipzig) 3: 139-158.

1928: Anhaltisches Naturschutzbuch. - Zerbst: 88 pp.

1928: Die Möglichkeit der Biberzucht in Deutschland. - Die Pelztierzucht (Leipzig) 4: 60-61.

1932: Schutz dem Biber! - Naturschutz 13.

1932: Deutscher Biberschutz. - Rauchwarenmarkt 20.

1033: Zugang und Abgang im deutschen Biberbestand. - Die Pelztierzucht (Leipzig) 9: 19-20.

1933-38: Die anhaltische Zentrale für Biberforschung. - Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Zerbst: 3-7.

1933-38: Unser “Bibervater” Max Behr. - Berichte des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Zerbst

1934: Unsere letzten deutschen Biber. - Beiträge zur mitteldeutschen Heimatforschung, Dessau (C. Dünnhaupt Verlag): 30 pp.

1837: Biber in Deutschland. - Berlin-Lichterfelde: 40 pp.

1938: Deutschlands letzte Biber in Gefahr - Zerbst, Anhalt. Zentrale für Biberforschung: 7 pp.

1938: Zur Biologie des Bibers. - Biologie 7: 404-406.

1950: Der Biber. Körperbau und Lebensweise, Verbreitung und Geschichte. - Berlin (Akademie-Verlag) 216 pp.

1953: Unser Biber. - Leipzig (Akademische Verlagsgesellschaft Geest & Portig K.-G.), Die Neue Brehm-Bücherei, Heft 111: 46 pp.

1953: Bestand des Elbe-Bibers, Castor fiber elbicus Matschie, 1907. - Säugetierkundliche Mitteilungen 1 (4): p.175.

1954: lm Zentrum der Biberforschung. - Dessauer Kulturspiegel Nr.2: 9-11.

1954: Kanalbauten des 8ibers. - Natur u. Heimat, H. 8: 247-249.

1955: Biber in Deutschland. - Trudy Voroneszsk. Gos. Zapov., Moskau, 6: 35-41.

1957: Hier Biber, dort Nutria. - Der Kleingärtner (Magdeburg/Halle) 9 (8): p. 14.

1957: Methodik der Biberzucht. - Der Zoologische Garten (N.F.) 23 (1/3): 177-184.

1958: Ergebnis der Biberzählung 1958. - Naturschutz-Schnellbrief 4 (8):(355)BN-z.

1959: Ein Altmeister der Biberforschung. Zum Gedenken an den 100. Geburtstag des verdienten Dessauer Heimatforschers Professor Dr. Friedrich. - Dessauer Kulturspiegel, Nr. 9: 413415.

1960: Unser Biber. - Wittenberg, Neue Brehm Bücherei 111, 2. Aufl.: 48 pp.

1961: Das Biber-ABC. - Naturschutz und Landschaftsgestaltung im Bezirk Magdeburg 4:36-42.

1961: Zur Naturgeschichte des Bibers - mal anders. - Zerbster Heimatkalender 1961: 70-73.

2001: Ein Altmeister der Biberforschung. - Nachdruck in: Friedrich, J.-P. (2001): Prof. Dr. Herrmann Friedrich. Erkenntnisse und Anekdoten über den Biber. Hannover (Eigenverlag): 5 Seiten

[zurück]